O Maura, deine Aura

STORY  8   

 

Ein Kritiker der Literatur, der auf der gleichen Welle funkte wie der Poet,

schrieb voller Ehrfurch, „Gelobt sei laureatus Möggeli Duss der Komet!

Er explodiert im äußeren Kosmos eine Supernova, eine grelle Galaxie. 

Er stirbt dabei. So ein Ereignis sah man bisher nie im Reich der Poesie!!"

 

                                           ***

In unserem Lande gab's einen über allen grünen Klee bejubelten Poeten.

Wenn er die Laute schlug, übertönte diese alle Pauken und Trompeten.

Das ist nicht logisch, könnte ein eitler Kritiker an dieser Stelle reklamieren.

So ein Ignoramus betreffend dichterische Freiheit und das Deklamieren!

 

Der Poet, dem wir hier huldigen, war ein lebensfremder Sonderling fürwahr.

Die Verse, die er schmiedete, fand manch ein Durchschnittsleser sonderbar.

Wenn der Rhapsode auf seinem Pegasus durch die güllegetränkten Auen ritt,

zwinkerte seine titanisch-lyrische Ergriffenheit beim Galoppieren igitt, igitt, igitt!

 

Der Barde aus Ober-Guggisau hieß offiziell Magister laureatus Möggeli Duss.

Analphabeten sowie grüne Neider verbreiteten, er schreibe doch nur Stuss.

Beide Gruppen hatten keinen soupçon vom Werdegang eines Top-Poeten.

Deshalb kapierten sie von Lyrik soviel wie ein diebischer Marder von Moneten.

                                           ***

Als Möggeli zwei-jährig war, starben seine Eltern an einer Influenzavirusgrippe.

Schon torkelte das Schicksal unseres späteren Minnesängers auf der Kippe.

Doch zwei alte ledige Tanten nahmen sich sogleich des Waisenknaben an.

Sie kauften ihm blaue Röcklein, knüpften niedliche Zöpfe mit Mäschli dran,

 

der das Bübchen in ein Püppchen verwandelte, das stark verhätschelt wurde.

Dass es keine Hosen tragen durfte, fanden böse Hechelzungen sehr absurde.

Aber die tauben Tanten ließen sich vom Dorfgeschwätze keineswegs beirren.

Nur wenn sie miteinander heftig keiften, hörte man ihre Küchenmesser klirren.

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In der Schule wurde klar, dass die Buben sich auf Möggelis Kosten amüsierten.

Sie nannten ihn eine "Sissi", stellten ihm ein Bein, zupften Ohren, malträtierten

ihn Tag und Nacht so gnadenlos, dass er häufig hilflos bittere Tränen weinte. 

Die Lehrer spulten ihr Pensum ab. Ihnen war es eh egal, dass Möggeli greinte.

 

Buben waren Buben. Das konnte man nicht ändern. Doch die Intelligenz

des Waisenjungen sorgte ihm Lehrerzimmer für Dispute. Seine Magnifizenz,

der Rektor, war der Ansicht, dass Möggeli im logischen Denken eine Flasche

war; doch sein Gedächtnis entpuppte sich als Wunderwaffe, als tiefe Tasche,

 

die nicht mehr hergab, was immer der büffelnde Bub einmal darin versteckte.

Wenn er in seinem Gedächtnis kramte, zog er ans Licht, was Neid erweckte

bei seinen Konkurrenten. Er zitierte Wörter, die sie überhaupt nicht kannten.

Er konnte solche stundenlang laut rekapitulieren zum Jubel seiner Tanten.

 

In ihrer Bewunderung übersahen sie, dass er nicht ahnte, welche Begriffe

hinter den Wörtern steckten. Um diese Lücken zu überbrücken, gab's Kniffe.

Fragte man ihn nach dem eigentlichen Sinn der Wörter, die er oft benutzte,

deklamierte er einfach eine Serie von neuen Wörtern, so dass jeder stutzte.

 

Als er dank seiner Memorierungstechnik sogar die Matura Typus A bestand,

gerieten seine Tanten vor lauter Stolz und Ehrgeiz völlig außer Rand und Band.

Überzeugt, dass dank ihrer tollen Erziehung die Welt ein Genie erhalten hatte,

hüllten sie Papagei-Möggeli in Samt und Seide, seine Verletzlichkeit in Watte.

 

Der Klassenlehrer —  er besaß ein Flair für Epheben, deren makelloser Tenor, 

weil der Stimmbruch ausgeblieben war, Musik war für sein sensitives Ohr —

plädierte bei den Tanten, dass ihr Zögling unbedingt Linguistik studieren sollte.

Dieser Rat passte gut zu jenen Dingen, denen der Möggeli Ehrerbietung zollte.

 

Denn auf dem langen Leidensweg, auf dem ihn andere Buben zum Narren

gehalten hatten, hatte er begriffen, wie er diese Ochsen vor seinen Karren

spannen konnte. Seine Muskeln waren zwar eher asthenisch doch sein Kniff

mit den vielen Wörtern bewirkte, dass ihnen ein rauer Wind um die Ohren pfiff,

 

bis sie perplex vor seiner Schläue Schärfe ihre plumpen Trottelwaffen streckten

und sie, trotz antrainierter Bosheit, an ihrer eisenarmen Anämie verreckten.

Möggeli hatte nämlich, dank repetitiver Erfahrung, ein Naturgesetz entdeckt:

Wer mit Wörtern clever hantierte, der war schwusdibups stark ruhmbedeckt.

 

Naivlinge hielten für oberflächlich, was so transparent wie Bergkristalle war. 

Deshalb erschien ihnen alles Obskure als Tiefsinn. Ein Fehlschluss, wunderbar!

Denn Möggeli Duss spielte auf der Zauberorgel seiner langen Wortkaskaden

wilde Wasserwirbel, darin gingen unbedarfte Konkurrenten sogleich baden.

 

Diesen Trick musste er sich zunutze machen. Möggeli studierte voller Eifer

mit mangelndem Verständnis zwar, doch dafür mit reichlich Mund-Geseifer,

die Effusionen von Sigi Freud, Heidegger Martin, französischen Strukturalisten.

Er fand, was obskur war, kübelweise auf den total verquasten Quasselpisten.

                                           ***

So mauserte sich der Adept des Obskurantismus mit der Zeit zu einem Poeten,

dessen begehrende Gesänge von den Musen Inspiration en gros erflehten.

Die Göttinnen halfen, dieweil sein Pegasus wieherte. Er komponierte Verse,

die vor Tiefsinn troffen, und kein einziger Kritiker entdeckte seine Achillesferse.

 

Man erkor ihn sogar zum Landesdichter, man hing ihm Kränze um den Hals. 

Auf seiner Brust da prangten Medaillen. Der Wein des güldenen Jubelpokals,

dem man ihm literweise kredenzte, machte ihn, jäsodu!,chronisch besoffen.

Selbst wenn er mal einen Verriss einsacken musste, blieb er völlig unbetroffen. 

 

Sein Meisterwerk ODE AN DIE AURA VON MAURA war ein Triumphmanifest

des Geistes über die Ahnungslosigkeit. Für die Kritiker ein fieser Hürdentest.

Dem geneigten Leser wollen wir dieses Kunstwerk zum Abschied schenken.

Wenn er dessen Sinn nicht kapiert, soll er doch verzagen an seinem Denken!

                                           ***

 

ODE AN DIE AURA VON MAURA

 

Dein ahnungsvoller Blick zermetzelt meine Tränen in Spritzer des Entsetzens.

Vom Buschrand knattert fest der Nachtigallen Jubel zum Wohle 

des Ergötzens. 

Am Berge rattert des Frühling-Föhngewitters wildes, rabiates Liebeshauchen.

Auf der Laube sieht man Katzen ihr Näschen in die Sahne fauchend tauchen.

Mit dem kieselsauren rautenförmigen Kalkstein stumpft der Lukas seine Sense.

In der Küche schnattern süße feiste Jubelschwäne wie elend aufgebrachte Gänse.

 

O Maura, deine Aura tröpfelt kalte Magermilch, was ich mit stiebend voller Lust bedaure,

wenn ich in Liebesschmerzen auf den Gluckser-Seufzer deiner Sprungmatratze lauere.

O Maura, bewundre, dass ich wie ein klammer Springbock in Achtungsstellung kauere

 und unentwegt mit meinen Fäusten tiefe Löcher in deine Rosenseidenkissen mauere.

Wenn ich das Plätschern deines Schnupfens höre, weiß ich: jetzt bist du sauer.

Du bist der Schaum auf meinem Bier, bist Malz und Hopfen für bezechte Brauer.

 

Gewaltig ist mein Liebenssehnen, weit offen wie eines gierigen Einbruchdiebes Gähnen.

Die Diplomaten brüllen, die den Inhalt einer Eildepesche lispelnd nur erwähnen.

Ein Geheimnis ist so unauffällig wie die gleißende Gischt von Schleuderstrahlfontänen.

Und der Powerspray zähmt alle Wirbel in deiner Venusgrotte falben Strähnen.

Wo die Ideen fehlen, dort werden sie remplaciert von teuflischen Stirnmigränen.

Die Frustrationen reißen Flanken auf sowie das Fletschen von gelben Zähnen.

 

Denn vieles ist ganz unbeständig und keineswegs voraussagbar auf Erden, 

stabil und zementiert und ungeheuer volatil ist in der Liebe nur das Werden.

Dein unbeschwertes Lachen spielt ein Echo zu dem Wiehern von Steppenpferden.

Die Liebesglut ist graue Asche, brutal ersticktes Wimmern auf Bruchsteinherden.

Und was bedeutet eigentlich das Werben deiner indignierten 

Total-Protestgebärden?

Lobhudeleien sticken arabeske Muster ins Gewebe deiner Unterleibsbeschwerden.

 

O Maura, deine Aura bildet Thromben im Schlängeln meiner Wadenvenen.

O Maura, deine Aura schmeißt Bomben in den Zauber von Zukunftsplänen.

O Maura, deine Aura tönt wie Rabenkrächzen von schlecht geölten Kränen.

O Maura, deine Aura lässt die Trauben reifen in sterilen Weindomänen.

O Maura, deine Aura ist der Schmerz in den kaputten Achillessehnen.

O Maura, deine Aura entzündet Flammen in patschnassen Hobelspänen.

 

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Epilog

Ein Kritiker der Literatur, der auf der gleichen Welle funkte wie der Poet

schrieb voller Ehrfurcht: "Gelobt sei laureatus Möggeli Duss der Komet!

Er explodiert im äußeren Kosmos eine Supernova, eine grelle Galaxie. 

Er stirbt dabei. So ein Ereignis sah man bisher nie im Reich der Poesie!!"

 

Niemand fand sich, der es wagte, dem Urteilsspruch zu widersprechen.

Es existieren Koryphäen, die die fragilen Knochen jedes Esels brechen.

 

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