Kaiser Diokletian verzichtet auf die Macht

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 Foto REIFEZEIT ©greta guntern gallati

 

"Wenn Ihr nur wüsstet, wie herrlich hier in Dalmatien im Herbst die Kürbisse sich runden, dann würdet ihr verzichten auf Eure ungesunden karnivoren Tiber-Tafelrunden!"

Ein Kaiser sitzt laut Überlieferung ganz gern behaglich auf dem goldenen Thron.

Er jobbt aus Standesgründen, das ist doch nur natürlich, für einen Gotteslohn.

Wer Macht hat, will — ist ja begreiflich — nicht auf rare Privilegien verzichten,

will lieber voller Schwung und unerbittlich über Volk und seine Feinde richten,

 

als sich aus so prestigeträchtigen Ämtern plötzlich sang- und klanglos zu verziehen

oder, was noch schlimmer ist, bei Nacht und Nebel aus dem Prunkpalast zu fliehen.

Doch gibt es auch bei ganz verwöhnten Majestäten Ausnahmen von der Regel.

Es gibt zu jeder These stets 'ne Antithese, behauptet ein gewisser Friedrich Hegel.

 

Dem einen blüht im Garten drin im Mai der wunderschöne gelbe Besen-Ginster,

dem anderen sprießen in der öden Schädelkachel drin nur fahle Hirn-Gespinster.

Da gab’s — im Süden war's am Tiber — mal Diokletian, einen eher originellen Kaiser.

Er war gefürchtet, konnte ziemlich laut sein und, wenn's drauf ankam, auch mal leiser.

 

Er hätte selbstzufrieden und senil hindämmern können im antiken Marmor-Rom.

Doch ließ er sich nicht abwärts treiben, schwamm lieber gegen jeden Strom.

Er reformierte die Verwaltung, verzichtete auf  Macht und viertelte das Kaiseramt.

Und anno 305 n.Chr. schmiss er sogar plötzlich weg den heiß geliebten Purpursamt.

 

"Einundzwanzig Jahre Kaiser sind, bei Jupiter! für unsereiner doch mehr als nur genug.

Das Zepter mag fortan als Bratspieß dienen, ich greif jetzt lieber nach dem Eisenpflug.

Auf geht’s, Genossen! Gehabt euch wohl“, verkündete der große Kaiser Diokletian.

Er warf die Krone und das Zepter auf den Müll und zog sich seine Lederstiefel an.

 

Mit Ross und Wagen, Kind und Kegel, ging’s hopp! sogleich in Richtung Norden.

Ihn zog es weg — vom äffischen Tun-als-ob — zu den dinarischen Alpenhorden.

Er suchte nach den Grazien von Freude, Charme und anspruchsvoller Harmonie.

Er fand sie in Dalmatien, goutierte sie zutiefst und war so glücklich wie noch nie.

 

In einer Inselmulde, fruchtbar, voller praller Trauben, ließ er sich für immer nieder.

Im Schatten seiner Pinien drehte er Däumchen. In der Dämmerung sang er Lieder.

Die attraktiven Formen in Dalmatien waren Resultate von lieblichen Naturgewalten,

von ihnen inspiriert und motiviert, begann er kreativ die ganze Gegend zu gestalten.

 

Er ließ gleich zu Beginn errichten einen mächtigen Bau mit einer Architektur,

in der sich Elemente von Städtebau und Militäranlagen trafen Flur an Flur.

Dazu gesellten sich Paläste noch und noch, sowie das Pathos des Sakralen.

Und schon begann Diokletians Ruf europaweit mit neuem Glanz zu strahlen.

 

Während Diokletian vom Zipperlein geplagt in Schwefelquellen Heilung suchte,

mit göttlichem Gestaltungswillen Triumphe in der Baukunst noch und noch verbuchte,

verloren seine Nebenkaiser Reichsgebiete schneller als der seiden-rote Mohn

die Blütenblätter. Die Dussel schrien: "Diokletian muss subito zurück auf seinen Thron! 

 

Der heiß umworbene dalmatische Früh-Pensionär, er zeigte jedoch keine Lust,

erneut in den Morast des Tibers einzutauchen, in diesen Malaria-verseuchten Wust.

Er war schon immer Philosoph gewesen, ihm hing die blöde Macht zum Halse raus.

Aus diesem Grunde wollte er nur eines: in Ruhe leben in seinem schönen Haus.

 

Bevor er Rom erwiderte, nahm er ohne Eile ein warmes Bad, dann neue Wäsche.

Derart mit voller Würde kontextgerecht herausgeputzt schrieb er 'ne Eildepesche.

Ein Reiter nahm die Antwort an den römischen Senat respektvoll nickend in Empfang

und jagte, über den Hals des Hengstes tief gebeugt, nach Süden stundenlang.

 

Die eitlen Senatoren, das Pergament entrollt in ihrer Hand, die waren bass erstaunt.

Was sie da lasen, kapierten sie mitnichten und waren sogleich mies gelaunt.

Der Ex-Regent, der in Dalmatien genussreich aß und trank und badete, er schrieb:

"O mächtige Römer, Nachkommen von Remus und von Romulus, ich hab euch lieb.

 

Doch wächst die Liebe paradoxerweise besonders leicht mit wachsender Distanz.

Das ist nun mal, aus psychologischen Gründen, der Fall sogar beim Werbungstanz.

Da dem nun so ist und gar nicht anders, bleibet ihr jetzt dort, ich bleibe lieber hier.

So hat ein jeder seine Ruh und verschafft sich still vergnügt sein eigenes Pläsier.

 

Das Leben hier im Norden an der Küste ist manchmal wirklich tragisch-komisch.

Im Großen Ganzen ist es sehr bekömmlich und zudem durchaus ökonomisch.

Man kann sich kaum mehr ärgern, liegt man erst mal weich in einer Hängematte;

Dort ruht man wohlgeborgen, als wäre man verpackt in dicker, weißer Watte.

 

Man lässt sich schaukeln mal von einer hübschen Magd und mal vom lauen Wind.

Man holt die Nixe rein ins Daunennest und kitzelt sie. Schon gluckst sie wie ein Kind.

Die Römer nennen so was süße Sinnenwonne. Für Christen ist es eine schwere Sünd'.

Doch Etiketten sind Scheu-Klappen, sie machen Esel für die Fülle aller Wollust blind.

 

In Dalmatien inszeniert man zum Vergnügen Schwänke; und man lacht auch viel.

In Rom hingegen gibt es, Irrtum vorbehalten, stets dasselbe stereotype Ränkespiel.

Gehabt euch wohl, ihr fiependen Welpen der Wölfin des Kapitols, ich will nicht mehr.

Ich hab aus meiner Luxusvilla Villa hier einen freien Blick hinaus aufs weite blaue Meer.

 

Wenn meine Feinde in der Ewigen Stadt, die meine Kutteln hassten, nur wüssten,

wie lustvoll so ein Müßiggang doch ist an diesen mit Pinien reich bestückten Küsten!

Hier wird der Vollmond praller als nur prall, ein Kürbis ungewöhnlich rund und groß.

Den Weinpokal in meiner Hand diese Wunder zu bestaunen, ist, bei Jupiter! mein Los.

 

Einundzwanzig Jahre war ich Euer Kaiser, trotz vieler Feinde sehr beliebt in Rom.

Ich fühlte mich recht oft so schwer wie Blei, selten mal so leicht wie ein Phantom.

Ich hab die Reichsverwaltung innoviert, prinzipientreu mein hohes Amt verrichtet.

Dann hab ich, anno 306, nach reiflicher Überlegung, auf alle Macht verzichtet.

 

Jetzt bleib ich hier. Basta! Ich will aus meinem Palazzo aus weißem Marmor nicht fort.

Ich hab hier alles, was ich haben will, mich zieht’s nicht mehr an einen andern Ort.

Hier strahlt den ganzen Tag die schwere Süße in die Trauben rein. O warme Sonne!

Das Meer ist blau, der Himmel hoch. Das Leben hier eine Wanne voller Wonne."

 

So lautete der Inhalt der Depesche. Im Nachsatz hieß es: "In tiefer Liebe euer alter Ex!“

Die Senatoren sahen einander versteinert an. Sie waren ratlos und total perplex,

als sie die Botschaft und deren unverschämte Bosheit zwischen den Zeilen lasen.

Dann brüllte einer, der vor Wut schier platzte: "Den Saukerl sollte man vergasen!

 

Dieser gottverdammte, impertinente und selbstgefällige Ex-Kaiser Diokletian

war im Grunde genommen immer nur ein barbarischer dinarischer Grobian!“

So gellte der Senator. Die Röte wich aus seinem Antlitz. Er wurde plötzlich fahl,

war sehr verwirrt und verzichtete, mal ausnahmsweise, aufs opulente Abendmahl.

 

 Manche feiste Senatoren verschmähten total verbiestert sogar sämtliche Getränke.

Doch sie erholten sich recht bald vom Schock und spielten wieder ihre alten Ränke.

Sie konnten es dem Ex auf keinen Fall verzeihen, dass er sie derart abgewiesen hatte.

Sie hatten ihn fortan mit verbissener Inbrunst und tödlicher Rachsucht auf der Latte.

 

Wie seltsam, dass ein Mann im Zentrum eines Riesenreiches auf die Macht verzichtet

und stattdessen lieber in Dalmatien verträumt gemütliche Hobby-Gärtnerei verrichtet.

So unterschiedlich sind, beim Zeus, die Menschen. Die einen haben es immer eilig.

Den anderen ist jedoch, das soll Poseidon mal versteh'n, nur ihre eigene Muße heilig.

 

Der Chronist, der dieses kuriose Ereignis der Nachwelt kolportiert, kann nur empfehlen:

Man muss im Leben doch bitte mit Verlaub stets nur bedächtig das Richtige wählen!

Wer unscheinbare Einfachheit genießen kann, dem geht’s jeweils geruhsam prächtig.

Wem diese Gunst versagt bleibt, lebt verbissen, obwohl er groß ist und auch mächtig.

 

PS:

 

"Wenn Ihr nur wüsstet, wie herrlich hier in Dalmatien im Herbst die Kürbisse sich runden,

dann würdet ihr verzichten auf Eure ungesunden karnivoren Tiber-Tafelrunden!"

 

                                                                        ***

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Kommentare: 6
  • #1

    Martin Oesterreicher (Freitag, 16 März 2018 18:53)

    ...minimalste Korrektur....Dann hab ich, anno 305 (nicht 306...sonst wären's sogar 22 Jahre des Überlebens unter Ränkeschmieden gewesen...wie wohl auch Numerian auf - so nehme ich an - schmerzhafte Weise am eigenen Leib erleben "durfte"), nach reiflicher Überlegung, auf alle Macht verzichtet....aber was soll's...toll ist's allemal...und was spielen da 12 Monate noch für eine Rolle?....*smile*...
    Herzlichst
    Martin Oesterreicher

  • #2

    maria bittel (Samstag, 17 März 2018 08:52)

    da wünscht man sich doch gleich in Dalmatien zu sein,wenn es hier nicht so schön wäre...
    habe mich köstlich amüsiert...,ein lesegenuss..
    lieben Gruss.
    Maria

  • #3

    greta guntern gallati (Samstag, 17 März 2018 12:06)

    Heute koch ich Kürbissuppe... mit Diokletian zu Gast...

  • #4

    Gottlieb GUNTERN (Montag, 19 März 2018 11:35)

    Lieber Herr Österreicher
    Kaiser Diokletian hat die mit allen Wassern gewaschenen römischen Senatoren düpiert. Genau so eigenwillig ist er ein Jahr vor 306 n.Ch. zurück getreten und mich damit zum Fake-News-Produzenten degradiert.
    Herzlich,
    Gottlieb Guntern

  • #5

    Imboden Roger (Samstag, 31 März 2018 16:08)

    sehr interessant, mit Aufmerksamkeit gelesen....
    Gruss von der Alpe Jungen
    Roger

  • #6

    Gottlieb Guntern (Sonntag, 01 April 2018 11:23)

    Ihr Blog-Eintrag hat mich sehr gefreut.
    DIOKLETIAN erzählt etwas aus der Kulturevolution des Römischen Reiches vor ca 2000 Jahren. Sie haben uns im vorletzten Sommer auf der Alpe Jungen etwas aus der geophysikalischen Evolution erklärt, die vor ca 45 Mio Jahren passiert ist. (siehe Foto) Wir waren beeindruckt.
    Gruss aus dem Tal,
    Gottlieb & Greta